Markus Lücke - Der nicht wertende Dialog

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Markus Lücke aus Lindlar ist Rhetorik-Coach und Kommunikationstrainer im Raum Köln (www.lmgconsult.de). Sein Fokus ist der nicht wertende Dialog. Lücke rät, Verhalten mehr zu beschreiben als zu bewerten, damit differenziertere Mitteilungen entstehen. Dem Empfänger der Botschaft wird selbst überlassen, mit welchem Verhalten er Ziele am ehesten erreicht. Das Interview führte Jürgen Felger.

Coaching

Was ist aus Ihrer Sicht ein guter Kommunikationstrainer?

Das ist einer, der Menschen hilft, ihre Kommunikation zu erweitern und diese manchmal auch erst ermöglicht. Jemand, der dabei unterstützt, Ziele zu erreichen. Es ist sicher jemand, der ein gutes Konzept hat, viel weiß und darüber hinaus die Fähigkeit besitzt, das Potenzial von Menschen zu entdecken und hervor zu holen. Es braucht dafür auch, davon bin ich überzeugt, ein tiefes Gefühl für Menschen an sich, ohne dass der Trainer die Distanz aufgibt.

Was sind die Themen, die Ihnen in der momentan herausfordernden allgemeinen wirtschaftlichen Lage besonders begegnen?

In erster Linie sind es Menschen, die mir begegnen und erst in zweiter Linie Themen. Ich habe oft mit Menschen zu tun, die rhetorische Herausforderungen meistern wollen, einen großen Vortrag, zum Beispiel die Bewerbungsvorlesung für eine Professur. Oft geht es aber auch darum, dass Menschen in einer neuen berufliche Position mehr als bisher vor Menschen auftreten müssen und das möglichst gut hinkriegen wollen. In unserer immer komplexer werdenden Welt wird es vielen auch wichtig, Sachverhalte umkompliziert schildern und darlegen zu können – das ist gar nicht so einfach. Und nicht zuletzt spielt das Führen durch das Wort eine große Rolle. Was mir dabei wichtig ist, ist die bewertungsfreie Kommunikation.

Methode

Und wie fühlen sich Mitarbeiter oder Chefs, Kunden oder Lieferanten, die sich nicht bewertet fühlen?

Erst einmal komisch. Die meisten Menschen sind gewohnt, ihr Verhalten in Kategorien von gut oder schlecht eingeteilt zu sehen. Das fängt in der Schule an und geht in vielen anderen Zusammenhängen weiter. Wenn man sich darauf einlässt, Verhalten mehr zu beschreiben als zu bewerten, dann entstehen viel differenziertere Mitteilungen, und der Empfänger des Feedbacks kann viel mehr darüber lernen, mit welchem Verhalten Ziele am ehesten zu erreichen sind, als das mit „Noten“ möglich ist. Viele erleben das auch als eine ganz neue Form des wertgeschätzt seins, wirklich gesehen zu werden. Dabei ist diese Herangehensweise beileibe nicht nur nett. Verhalten ohne Bewertung zu beschreiben kann durchaus konfrontieren.

Vielleicht können Sie das an Hand eines Praxisbeispiels erläutern.

Wenn ich an einem Rhetorikthema arbeite, dann geht es auch um Körperhaltung. Dazu halten die Teilnehmer kurze Vorträge. Wenn dabei einer die Arme vor der Brust verschränkt, gibt es sofort Meinungen dazu: Das geht nicht, das ist eine Blockade und so weiter. Ich fordere die Teilnehmer dann immer auf, nochmal ganz genau zu beschreiben, was die Armhaltung mit ihnen macht. Meistens wird das Bild dann farbiger und es gibt auch Zwischentöne. Dass das auch ganz leger wirkt oder das gerade auch etwas Verbindendes hatte. Und es wird deutlich, vor allem wenn die Gruppe mehrere Teilnehmer gesehen hat, dass nicht alle Signale eindeutig wirken, sondern dass das von Person zu Person durchaus unterschiedlich sein kann. Und dann findet jeder für sich mit den anderen heraus, was für ihn oder sie funktioniert. Und so wächst persönlicher Stil im Gegensatz zu bloß nachgemacht.

Angenommen ich engagiere Sie als Rhetorik-Coach oder Kommunikationstrainer, was erwartet mich dann genau?

Zunächst einmal ein Gespräch, indem ich mit Ihnen zusammen herausfinde, um was es Ihnen geht. Sie werden viele Fragen hören, auch ungewöhnliche oder unerwartete. Sie werden wahrscheinlich viele Antworten geben, von denen die eine oder andere Sie selbst überrascht. Herausforderungen werden identifiziert, Ziele werden vereinbart. Manchmal geht es um eine konkrete Präsentation. Es gibt auch Situationen, bei denen ich zu einem Vortrag mitgehe und Anregungen gebe. Dann geht es an die Maßnahmen die sich danach richten, wo sie individuell hinwollen. Und was Sie auch erwartet: Ein Mensch, der Sie in Ihrem Prozess mit hoher Aufmerksamkeit, tiefempfundener Menschlichkeit, einem klaren Konzept und wachem Herzen begleitet. Neben dem Einzelcoaching biete ich offene Seminare an oder gebe Trainings in Unternehmen. Die Themen sind dabei der freie Vortrag, Rhetorik oder „Wie kann ich eine guter Redner sein, trotz Beamer?“

Ich habe mich auf die freie Rede spezialisiert und Menschen kommen zu mir, die ohne Manuskript vortragen möchten. Es geht zum Beispiel auch darum, mit Fragen und Einwänden aus dem Publikum umgehen zu können. Hierzu zählen Elemente der Gesprächsführung. Es gilt zu verstehen, was der Fragende eigentlich genau möchte, wohin er hin will, um dann darauf adäquat reagieren zu können.

Also erst einmal den Fragenden verstehend zu hören. Zum Beispiel sagt der Vortragende in einem solchen Fall „Sie merken kritisch an, dass Sie im Punkt x völlig anderer Meinung sind.“

Spiegeln gehört dazu: das Gehörte mit eigenen Worten wiedergeben, also paraphrasieren oder gegebenenfalls wörtlich wiederholen. Habe ich das überhaupt akustisch verstanden. Dann fragen, ob diese Spiegelung sinngemäß richtig war: „Habe ich Sie da richtig verstanden. Ist es das, was Sie meinen?“ Erst danach entscheiden Sie, wie Sie weiter vorgehen, ob Sie die Frage zurückstellen, ob Sie auf das Argument eingehen, ob Sie in einen Dialog treten, ob Sie weiterführende Fragen stellen. Dies ist ein relativ sanftes, aber auch mächtiges Werkzeug, um auf harmlose oder auch diffizile Fragen einzugehen und den Fragenden sowie das gesamte Plenum zufrieden zu stellen.

Ich stelle mir das gerade vor, jemand aus dem Publikum teilt seine Meinung mit. Es sind viele Menschen, die mir zuhören. Ich halte einen Vortrag und dann meldet sich einer und stellt etwas in den Raum ...

Da kommt dann einer und sagt zum Beispiel: „Herr Felger, was Sie da reden, das ist doch alles von vorgestern!“ Bei einem solchen oder noch drastischeren Beispiel können Sie auf mehrere Weisen umgehen. Die erste Möglichkeit ist natürlich zu sagen: „Was soll das hier?“ Das kann durchaus funktionieren. Man muss aber auch mit der eigenen Emotionalität in der Situation umgehen: Bei mir würden sich spontan die Nackenhaare hoch stellen und evtl. Hass aufkommen. Erst danach frage ich mich, was ich jetzt eigentlich mache. Das Spiegeln hilft, die Bemerkung von der persönlichen Ebene fernzuhalten, z. B. „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, finden Sie meine Ausführungen gerade wenig aktuell.“ Stimmt das Gegenüber zu, kann ich nachfragen: „Welche Punkte genau, so höre ich heraus, sind Ihnen so stark zuwider?“ Dann kommt er vermutlich auf den Punkt. Dann stellt sich entweder heraus, derjenige hat entweder gute Argumente oder ist einfach nur stumpf gegenüber dem, was gesagt wurde. Oder er ist an einem bestimmten Punkt unangenehm berührt worden. Oder es gibt ein ganz böses Missverständnis. Wenn er weiter in der Aggression verharrt, steht es mir immer noch offen, die breite Palette der Reaktionsmöglichkeiten auszuschöpfen: abwehren, maßregeln, drohen etc. In der Bibel heißt es, wenn dir jemand auf die rechte Backe schlägt, halt ihm auch die linke hin. Meine Auslegung dazu lautet: Halte die Option offen, nicht gleich in die Eskalation einzusteigen, also gleiches mit gleichem zu „vergelten“, sondern finde erstmal heraus, was eigentlich los ist.

Was Sie vorschlagen, ist auch, die entsprechenden Emotionen aufzufangen, indem ich sie verbalisiere. Verliere ich dann nicht an Autorität vor der Gruppe, wenn ich einer einzigen Person zu viel Raum gebe. Ich habe schließlich eine Verantwortung für das gesamte Publikum.

Wenn dieser Einwand sehr grob daher kommt, hat derjenige ohnehin schon großen Raum. Die anderen die darum herum sitzen, zeigen vielleicht verschiedene Reaktionen. Das reicht von einem sich erschrecken bis vielleicht einem „Recht hat er!“. Alle aber schauen gebannt auf den Vortragenden, wie er die Situation handhabt. Das ist auch Ihre Chance zu zeigen, wie Sie mit jemandem umgehen, der mit Ihnen unpassend angeht. Das Publikum merkt dabei, wie jemand behandelt wird, der sich in Ihrem Vortrag exponiert. Das geht, wenn Sie nicht gleich bewerten oder abwehren, auf das positive Punktekonto des Vortragenden. Man kann auch die Gruppe in die Enzscheidung einbinden, wie man weiter verfährt. Dabei kann es sich durchaus herausstellen, dass die Teilnehmer froh darüber sind, wenn ich mit Einwänden stringent umgehe und penetrante Zwischenfragen im Zaum halte.

Person

Welche Erfahrungen sind oder welche Ausbildung ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders hilfreich?

Es sind besonders Menschen, die mir dazu einfallen. Einmal die Psychoanalytikerin Edeltraud Meistermann-Seger, von der ich enorm viel über die Seele, auch von Gruppen erfahren konnte, zum zweiten James Saunders, der mich im Tanztheater gelehrt hat, kreative Prozesse zu verstehen, Ziele kreativ zu verfolgen und Verrücktheit als Potential zu sehen. Von Johanna Dederichs habe in der gestaltorientierten Bühnenarbeit alles über Rollenspiel gelernt und von Gisela Osterhold und Gerhard Lenz in der Fortbildung zum systemischen Organisationsberater wie Systeme wirken. Nicht zuletzt sind es die vielen Teilnehmer in meinen Veranstaltungen, die mich immer wieder Neues entdecken lassen.