Birgit Winter und Andreas Ebertz – Was ist der Personzentrierte Ansatz und lässt er sich übertragen auf Teams und im Verkauf?

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Wie kann die personzentrierte Kommunikation Teamarbeit und Verkauf fördern? Sind die Effekte messbar? Zwischen Führung und produktivem Arbeitsklima. Verkaufen oder zuhören? Wertvolle Informationen bei der Auftragsklärung. Über das Erleben, das Lernen und die Veränderung. Jürgen Felger im Gespräch mit den beiden personzentrierten Beratern Birgit Winter und Andreas Ebertz.

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Personzentrierte Gesprächsführung erleben

JF: Hallo Birgit [Birgit Winter = BW], hallo Andreas [Andreas Ebertz = AE]. Wir wollen uns heute über die personzentrierte Gesprächsführung unterhalten. Um was geht es bei der personzentrierten Gesprächsführung?

BW: Ich definiere personzentrierte Gesprächsführung nicht als Methode. Die personzentrierte Gesprächsführung beinhaltet für mich eine Haltung. Das ist das einfühlende Verstehen, die Empathie, Annehmen und Wertschätzen und die Echtheit.

AE: Ich sehe das genau so. Das ist in erster Linie eine ganz spezielle Haltung in der Kommunikation. Egal, ob es ein Beratungsgespräch oder ein geschäftliches Gespräch ist oder im privaten Zusammenhang. Es hat für mich etwas zu tun mit einer gegenseitigen, bedingungslosen Wertschätzung, dass ich den anderen so akzeptiere, wie er ist. Dass ich ihn nicht mit Argumenten überzeugen, verändern will, sondern dass ich ihn so wie er als Person ist, wahr- und annehme. Im therapeutischen oder beraterischen Kontext bedeutet das, dass ich ihm auf diese Art und Weise helfe, sich weiterzuentwickeln.

BW: Für mich ist es eine Haltung von Person zu Person. Der Berater hilft dem anderen, sich zu klären und die Lupe auf das zu legen, was für den Klienten wichtig ist.

JF: Eine Klärung also, wenn jemand den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Dass sich der Klient bewusst wird, was in seinem Kopf vorgeht und die Mosaiksteine zusammensetzen kann.

BW: Weil Unklarheiten zu Missverständnissen führen.

JF: Ihr beide bringt die Haltung der personzentrierten Gesprächsführung bei.

BW: Ich gebe Gesprächsführungsseminare, in denen ich sehr praxisorientiert arbeite. Es ist für mich wichtig, dass diejenigen, die die Haltung verinnerlichen möchten, sie selbst erfahren und nicht nur Theorien erklärt bekommen. Für mich hat das etwas mit Erleben zu tun.

"Es ist ein erfahrungs- und erlebensorientierter Ansatz. Ich kann ihn nur durch das eigene Erleben nahe gebracht bekommen."

JF: Meine persönliche Meinung ist, dass jemand erst durch eine personzentrierte Beratung versteht, um was es geht und den Effekt tatsächlich spürt.

AE: Es ist ein erfahrungs- und erlebensorientierter Ansatz. Ich kann ihn nicht einfach über das Erzählen nahe bringen und erst recht nicht durch das Lesen aus Büchern erlernen, sondern nur durch das eigene Erleben. So funktionieren die Ausbildungen. Wenn man eine Ausbildung als klientzentrierter Berater macht, ist da ein großer Teil Selbsterfahrung dabei, damit man es erst einmal an sich erfährt, wie funktioniert das überhaupt, wenn ich mir selbst besser auf die Spur komme, wenn mir wirklich jemand einfühlend und verstehend zuhört. In den Kursen ist es dann genau so. Natürlich in einem sehr viel kleineren Spektrum, als wie es in einer zwei- oder vierjährigen Ausbildung nahe gebracht werden kann.

BW: In den Seminaren ist es ein Prozess. Es hat etwas mit Entwicklung zu tun. Was Andreas schon sagte: Persönlichkeitsentwicklung.

JF: Im Gegensatz dazu geht es z. B. bei einem reinen Rhetorik-Seminar weniger um Persönlichkeitsentwicklung. Die personzentrierte Gesprächsführung beinhaltet auch für mich eher eine Haltung. Ich bin schon ganz vorsichtig. Ich verwende schon gar nicht den Begriff Methode. Sie verändert mich auch, denn sie muss verinnerlicht werden. Ich falle sonst unbewusst in meine alten Kommunikationsgewohnheiten zurück. Im Dialog geht es schnell hin und her. Da habe ich nicht viel Zeit zum Nachdenken.

BW: Wie gesagt, die personzentrierte Gesprächsführung ist für mich keine Technik. In Rhetorik-Seminaren werden bestimmte Techniken vermittelt. Das ist bei uns nicht so. Ich finde den Begriff „personzentriert“ wichtig. Ich muss offen sein für die Person. Es hat auch immer etwas Überraschendes. Ich vermittle keine Technik, sondern derjenige muss auch offen dafür sein, womit mich die andere Person vielleicht überrascht.

JF: Ich lasse mich also auf mein Gegenüber ein. Ich versuche die Lenkung dem Klienten zu überlassen, dass er das Gespräch in seine Richtung lenkt und bestärke ihn.

AE: Methode, Technik, Haltung. Das muss man nicht auf die Spitze treiben. Ich denke, es gibt schon in gewisser Hinsicht Methoden, meinetwegen sogar Techniken: aktives zuhören, verbalisieren, spiegeln. Das ist für mich schon wie ein Handwerkszeug, das man erlernen kann. Wichtig ist die Haltung mit der ich agiere. Was ist meine Grundlage? Der personzentrierte Ansatz kommt aus der humanistischen Psychologie. Wie der Name schon sagt, das Humane steht im Vordergrund. Da geht es niemals darum, den anderen manipulieren oder verändern zu wollen, anders als bei der Rhetorik. Bei der Rhetorik lerne ich vielleicht eher, wie kann ich den anderen überzeugen, wie kann ich ihn auf meine Seite ziehen. Das ist für meine Begriffe der wesentliche Unterschied.

BW: Und gleichzeitig ist für mich die Echtheit wichtig. Es geht nicht nur darum, dass ich nur noch ganz beim anderen bin. Ich muss natürlich schauen, dass auch meine Wahrnehmungen im Gespräch vorhanden sind und dass ich auf sie achte.

AE: In der personzentrierten Beratungsarbeit gehört es als ein wichtiger Bestandteil dazu, dass der Berater oder der Therapeut seine Sicht der Dinge auch zur Verfügung stellt. Ich stelle, nicht am Anfang, sondern erst nach einer gewissen Zeit des gemeinsamen Prozesses, in dem sich Vertrauen entwickelt hat, meine Sicht der Dinge zur Verfügung. Mein Gegenüber, der Klient, kann es annehmen oder auch nicht. Das ist noch einmal etwas anderes als wenn ich sage so und so ist das. Wenn ich etwas analysiere oder interpretiere wird das, so vermute ich, dem anderen letztendlich nicht viel weiterhelfen.

BW: Wir sprechen wahrscheinlich noch über Teams. Da hat jeder natürlich seine Interessen, die er vertreten möchte. Ich finde es wichtig, dass diejenigen, die personzentrierte Gesprächsführung praktizieren, auch wissen, wie sie ihre eigenen Bedürfnisse vertreten können.

Teamarbeit – ein produktives Klima schaffen

JF: Du gibst mir eine Steilvorlage. Stichwort Teams. Wenn ich in einem Team zusammen arbeite, gibt es wahrscheinlich immer wieder Missverständnisse, manchmal Leerlauf, vielleicht Fehler, die vielleicht hätten vermieden können, wenn man sich vorher besser ausgetauscht hätte.

AE: Und Konflikte vor allen Dingen.

JF: Missverständnisse und daraus folgend Konflikte. Ich frage mich gerade, wie diese Methode des Zuhörens in den Kontext einer Unternehmung integriert werden kann. Wenn ich in einem Team bin, ist das vielleicht noch klar. Da höre ich dem anderen erst einmal zu. Ich bringe mich auch ein und sage „Ich möchte das so. Wie seht ihr das?“ Aber wie sieht es aus, wenn der Vorgesetzte ins Spiel kommt und hierarchische Strukturen? Wie ist das mit der Kommunikation auf gleicher Augenhöhe, gerade in Unternehmen? In Firmen gibt es vielleicht einen Abteilungsleiter, einen Geschäftsführer, einen Vorstand, den Eigner. Letztendlich sagt irgendjemand, wo es lang geht, bei allem verständnisvollen Zuhören, wenn es überhaupt möglich ist. Ist in einer Unternehmung personzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers möglich?

AE: Selbstverständlich! Personzentrierte Kommunikation ist überall möglich, behaupte ich. Egal ob im privaten Umfeld oder in Unternehmen oder in der Beratungsarbeit. Es gibt schließlich auch personzentrierte Team-Supervisionen, Teamentwicklung. Trotzdem, würde ich sagen, muss man schon aufpassen, dass nicht die Idee der Allmachbarkeit aufkommt. Gerade in hierarchischen Systemen sehe ich klare Grenzen. Unternehmen und Behörden sind immer hierarchisch. Da würde man den Leuten auch etwas vormachen, wenn man sagt, wir arbeiten jetzt personzentriert und knacken damit die Hierarchie. Konflikte entstehen dadurch, dass beim Verhalten der Team-Mitglieder etwas nicht stimmt. Da gibt es Konkurrenzen. Da wird aneinander vorbei geredet. Es gibt Missverständnisse. Alles das, was du eben genannt hast. Da finde ich, gibt es viel Potenzial für mehr Arbeitszufriedenheit der einzelnen Team-Mitglieder und mehr Zufriedenheit auch im Team als Ganzes. Ich finde, jeder kann an seinen Fähigkeiten arbeiten, den anderen besser zu verstehen und andererseits natürlich auch erleben, ich werde besser verstanden. Insgesamt entsteht meiner Meinung nach dadurch eine bessere Energie und mehr Leistungsbereitschaft.

BW: Ich plädiere dafür, ein geeignetes Arbeitsklima zu schaffen. Je nachdem welches Klima herrscht, so wird auch gearbeitet. Ich halte es für wünschenswert, dass die Führungskräfte in personzentrierter Gesprächsführung geschult sind. Optimal fände ich, wenn das komplette Team in dieser Richtung geschult wäre. Ich glaube, dann entsteht über die gute Kommunikation einfach ein wachstumsförderndes Klima. Ich glaube, die personzentrierte Gesprächsführung trägt im Unternehmen oder der Organisationen zum Erfolg bei.

AE: Es gibt Untersuchungen darüber, dass Teams dann motivierter und letztlich leistungsstärker sind.

JF: Wenn ich zufrieden bin, habe ich vielleicht mehr Ideen, bin engagierter.

AE: Oder wenn unnötige Konkurrenzen wegfallen. Wenn ich nicht die halbe Kraft meiner Arbeitsenergie investieren muss, damit mir der andere nicht die Butter vom Brot nimmt.

JF: Ein Team zieht möglicherweise an einem Strang, aber in verschiedene Richtungen.

AE: Es gibt eine Teamentwicklungsübung, die – jetzt vereinfacht dargestellt – so aussieht: Jeder bekommt seinen „Strang“ in Form eines in der Mitte mit den Strängen der anderen verknoteten Seils und zieht daran in die Richtung, die er für richtig hält. Über einen bestimmten Prozess, der lange dauern kann, geht es dahin, dass letztendlich alle an einem Strang ziehen, und zwar in dieselbe Richtung. Und somit muss jeder auch viel weniger Kraft investieren.

BW: Für mich ist dabei Anerkennung und Wertschätzung wichtig. In dem Moment, in dem der Mitarbeiter spürt, er wird anerkannt und wertgeschätzt, hilft das weiter. Und trotzdem sehe ich es so, dass derjenige, der in der Hierarchie die Führung hat, auch einmal eine andere Richtung wird ansagen müssen. Ich finde es ausschlaggebend, wie er das macht.

JF: Ich denke, der Vorgesetzte sollte seinen Mitarbeitern erst einmal zuhören. Allein schon, weil er somit die Ressourcen der Mitarbeiter nutzen kann. Ich appelliere, die Mitarbeiter an der Front einzubeziehen. Ich glaube, die haben Kenntnisse und Fähigkeiten. Setze ich nur auf Autorität verschenke ich diese Kräfte und Ressourcen. Mehr noch, ich glaube mancher Mitarbeiter sträubt sich sonst innerlich.

AE: Meiner Erfahrung nach wird ein autoritärer Vorgesetzter Widerstand ernten. Ein Mitarbeiter, der mit Widerwillen seinen Job macht, den halte ich auch nicht für voll leistungsfähig, weil er mit seinem Widerstand beschäftigt ist. Optimal würde ich es also finden, wenn der Abteilungsleiter personzentriert mit seinen Mitarbeitern umgeht und diese aktiviert, die vorhandenen Ressourcen zu nutzen. Das kommt letztendlich der Organisation zu Gute.

BW: Mir fällt da auch der Begriff Vertrauen ein. Ich erlebe immer wieder, dass es in Teams an Vertrauen mangelt. In dem Moment, wenn die Kommunikation sich in einem Team verbessert, wächst das Vertrauen, dann kann ich mich wirklich öffnen. Ich finde, wenn Vertrauen vorhanden ist, ist schon viel erreicht. Offene Kommunikation sollte das Ziel in einem Team sein.

JF: Der Mitarbeiter „traut“ sich, sich einzubringen, wenn Vertrauen vorhanden ist. Sonst halte ich mich vielleicht zurück und bin vorsichtig, nach dem Motto „Vielleicht lasse ich es lieber sein, der Chef weiß schon, was er tut.“

BW: Vertrauen fördert Zutrauen. Zutrauen in mein eigenes Können.

JF: Wie fühlt es sich für mich als Mitarbeiter an, wenn der Chef auf mich zugeht und mich im wahrsten Sinne des Wortes versteht?

BW: Das Vertrauen kann ich dadurch fördern, indem ich auch Bewertungen weglasse. Das halte ich für ein weiteres großes Ziel, dass der andere sich nicht bewertet fühlt.

AE: Das finde ich auch nicht so einfach. Es ist Job des Chefs, die Mitarbeiter letztendlich zu bewerten oder sie vielleicht zu kritisieren. Da gibt es natürlich auch eine gewisse Spannung oder eine scheinbare Widersprüchlichkeit. Dennoch denke ich, wenn der Vorgesetzte personzentriert mit seinen Mitarbeitern umgehen kann, ist in dieser Haltung auch Kritik möglich und erlaubt. Es ist ja nicht so, dass man sich gegenseitig in Watte packen soll und dass es keine Reibereien geben darf. Ich finde, die persönliche Integrität beider Seiten sollte dabei unangetastet bleiben.

JF: Ich finde das ein interessantes Thema, miteinander ehrlich umzugehen. Das Gegenteil wäre, Dinge unter den Teppich zu kehren. Nicht zu sagen, was Sache ist, macht mich als Mitarbeiter unsicher. Auch wenn der Chef mir etwas sagt, was mir nicht gefällt, weiß ich wenigstens, woran ich bin.

BW: Mir fällt dabei das Wort Konfrontation ein. Die Kommunikation wird beeinflusst, je nachdem wie ich konfrontiere. Konstruktiv kritisieren oder konfrontieren heißt für mich den anderen nicht in seiner Person zu entwerten. Ich finde, die Person darf nicht an Würde oder Wert verlieren. Autoritär sein, bedeutet den anderen zu entwerten.

AE: Diese Unterscheidung vorzunehmen, halte ich für eine hohe Kunst: Die Person soll unangetastet bleiben, das Verhalten darf ich kritisieren. Die wenigstens lernen, wenn sie Kritik üben, das sauber zu trennen. Deswegen ist Kritik auch so gefährlich, weil sie immer mit Verletzung zu tun hat. Umgekehrt lernen wir aber auch nicht, wie ich Kritik annehmen kann, wie ich sie für mich differenzieren kann. Dass ich auch da unterscheide, was wird konkret an meinem Handeln kritisiert? Es fängt ja schon bei der Erziehung an. Wie kann die Mutter das Kind tadeln, wenn es etwas kaputt gemacht hat, so dass das Kind sich weiter geliebt fühlt. Das halte ich für gar nicht so einfach. Wie kann der Chef seinen Mitarbeiter konstruktiv kritisieren, ohne dass der Mitarbeiter hinterher das Gefühl haben muss, der mag mich nicht mehr oder jetzt stehe ich auf der Abschussliste.

BW: Und da wären wir bei der Technik bzw. der Methode. Es gibt tatsächlich Handwerkszeug.

"Durch einen guten Umgang werden die Mitarbeiter motiviert, sich einzubringen. Dann spart der Chef Energie."

JF: Als Vorgesetzter habe ich Ziele, auch von weiter oben. Da möchte ich bestimmte Dinge, die ich auch so benennen kann, denke ich. Ich finde, ich muss als Vorgesetzter aber im Gegenzug zuhören, was meine Mitarbeiter möchten. Dann kann ich immer noch entscheiden.

AE: Im Idealfall werden die Mitarbeiter eingebunden. Ich glaube, durch einen guten Umgang werden die Mitarbeiter motiviert, sich einzubringen und ihre Ideen für z.B. ein Projekt mit einzubringen. Dann spart der Chef ebenfalls Energie. Dann braucht er nicht so viel von oben herunter Dampf zu machen.

JF: Das System funktioniert dann. Ich muss als Vorgesetzter nicht immer kontrollieren.

AE: Da sind wir dann wieder beim Thema Vertrauen. Wenn eine vertrauensvolle Atmosphäre gewachsen ist, dann brauche ich als Chef weniger Energie darauf verwenden, zu kontrollieren, anzuweisen, zu maßregeln usw.

BW: Ich finde es wichtig, miteinander zu sprechen. Egal ob es ein Team ist oder nur zwei Personen sind. Das ist für mich die Basis, damit sich etwas entwickeln kann, um im Prozess zu bleiben.

JF: Ich erlebe Situationen, in denen wird viel über irgendetwas da draußen gesprochen, aber wenig gesagt. Vielleicht könnt ihr genauer benennen, über was das Team miteinander spechen sollte.

AE: Es geht darum, miteinander über die Dinge zu sprechen, die wichtig sind. Wenn man den ganzen Tag zusammen über das Wetter gesprochen hat, ergibt das noch nicht unbedingt ein gutes Team-Klima. Obwohl, man sollte das nicht unterschätzen. Manchmal ist auch der Smalltalk in der Kaffeeküche wertvoll. Das gehört alles zusammen. Aber, wenn das Klima in einem Team so ist, dass ich mich nicht scheuen muss, Probleme, Konflikte oder Unwohlsein anzusprechen, dann ist schon viel gewonnen. Es geht darum miteinander zu reden, um was es geht. Ich glaube, das wird in der Tat wenig gemacht. Es wird viel geredet, aber wenig wirklich miteinander gesprochen.

BW: Das heißt in die Tiefe zu gehen. Also nicht an der Oberfläche zu plätschern. In die Tiefe gehen bedeutet auch Gefühle anzusprechen. Das ist z. B. das, was viele glauben, dass es in der Arbeitswelt nicht notwendig sei: Gefühle ansprechen bzw. benennen.

AE: Es ist klar, dass der Chef oder Abteilungsleiter nicht jeden Morgen erst ein therapeutisches Befindlichkeitsgespräch durchführen kann. Aber es hat ja auch etwas mit Wahrnehmung zu tun. Ich halte es für eine Reduzierung des Menschen, wenn der Mensch nur noch auf das reduziert wird, was er an Output bringt, dass er funktioniert. Zur Ganzheitlichkeit aber gehören die Gefühle dazu. Ich finde, ich darf als jemand, der Menschen führt, das nicht aus dem Blick verlieren. Auch wenn Gefühle weniger oder in manchen Betrieben eben mehr eine Rolle spielen, sie sind immer vorhanden. Ich glaube, Sie wirken sich mehr auf meine Leistungsfähigkeit, meine Stimmung und meine Kommunikationsfähigkeit aus als man das vielleicht zunächst annimmt.

JF: Ich denke da an eben an Kleinigkeiten, wenn ich Gefühle benenne. Als ich neulich bei einer Laden-Neueröffnung neben dem Geschäftsführer stand, sah er so aus, als ob er sich freut. Da habe ich gesagt: „Sie scheinen sich zu freuen.“

AE: Gefühle können ja auch positiv sein.

JF: Ich habe nur das benannt, was ich wahrgenommen habe. Ich denke, ich öffne dadurch den Kommunikationskanal. Es kann im vorbei gehen sein.

AE: Dem Gegenüber tut das gut, weil er sich ein bisschen mehr erkannt oder wahrgenommen fühlt als nur z. B. in seiner Rolle als Geschäftsführer.

BW: Das hat für mich auch etwas mit Achtsamkeit zu tun. Wenn ich achtsam mit dem anderen umgehe, seine Gefühle wahrnehme oder auch meine eigenen Gefühle wahrnehme, dann bin ich sehr achtsam und sehr wach mit mir selbst oder auch mit dem anderen. Bei dem Beispiel geht es um ein positives Gefühl. Aus meiner Erfahrung heraus fällt es Team-Mitgliedern schwer, dem anderen gegenüber positive Gefühle zu äußern. Es werden meist eher negative Gefühle ausgesprochen oder auch mehr kritisiert als gelobt. Ich glaube Lob auszusprechen oder anzunehmen ist fast noch schwerer als mit Ärger umzugehen.

JF: Ich denke, das kommt darauf an, wie man Lob definiert. Ich würde sagen „Das gefällt mir.“ anstatt „Das haben Sie gut gemacht.“ Auf diese Weise spreche ich über mich. Ich finde den Aspekt der Achtsamkeit interessant.

BW: Ich finde die Achtsamkeit fördert auch, direkt im Augenblick zu sein. Ich halte es für wichtig, im Hier und Jetzt zu sein. Auch im Gespräch.

JF: Als Feedbackregel in meinen Trainings gebe ich gerne aus, das Verhalten zu kritisieren und nicht die Person. Ich finde, damit bleibe ich dann in der Situation. Auch sollte ich Dinge zeitnah ansprechen.

BW: Wenn ich das zusammenfasse, was wir jetzt besprochen haben, komme ich zum Schluss, dass es auch um Sensibilisierung geht.

JF: Wenn ich als Team irgendeine Aufgabe erledige und wie die Axt im Walde agiere, also eben nicht sensibel bin, denke ich, wird mir irgendwann spätestens von außen ein schlechtes Ergebnis attestiert. Ich habe kürzlich einen Arbeitsschützer kennengelernt, der mir sagte, wenn in einer Firma die Arbeitssicherheit hoch ist, also wenn die Führung sich um die Mitarbeiter kümmert, dann geht es meistens auch der Firma gut. Anders herum: Ich befürchte, einem Unternehmen, in dem die interne Kommunikation nicht stimmt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es ihm nicht auf Dauer gut gehen wird.

BW: Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass es, wenn es konfliktreich oder problematisch wird, an der Kommunikation gescheitert ist. Ich werde oft in Teams gerufen, weil sie merken, hier klappt es mit der Kommunikation nicht. In dem Moment, in dem die Kommunikation gefördert wird, wird es meistens besser im Team und im Arbeitsprozess.

Verkauf oder Zuhören. Oder beides?

JF: Um ein weiteres Thema anzuschneiden: Das aktive Zuhören im Verkauf. Wir haben gesagt, es geht um eine Haltung. Wie kann ich die personzentrierte Gesprächsführung im Verkauf anwenden oder wenn ich eine Botschaft an den Mann bringen will?

AE: Ich denke, eine personzentrierte Haltung ist immer förderlich, egal in was für einer Art von Gespräch oder Kommunikation. Selbstverständlich gilt das auch für das Verkaufsgespräch, wenn ich als Verkäufer versuche, mich in den Kunden hineinzuversetzen, zusammen mit ihm erarbeite, was dieser eigentlich braucht, meinetwegen auch wie es ihm im Moment geht, was er für ein Produkt oder welche Dienstleistung er benötigt, anstatt ihm das Produkt nur vorzusetzen und ihm zu sagen friss oder stirb. In dem Moment hat der Kunde etwas davon und fühlt sich gut beraten. Das kennt ja auch jeder. Man geht in ein Geschäft und die Verkäuferin oder der Verkäufer bemüht sich um einen. Man fühlt sich gut beraten, kauft vielleicht hinterher nicht, aber geht raus und hat ein gutes Gefühl, so dass man auf jeden Fall gerne wiederkommen wird.

JF: Ich sehe schon die Verkaufsleiter die Hände über dem Kopf zusammen schlagen, wenn sie hören, der Kunde geht heraus, hat ein gutes Gefühl, aber kauft nichts. Wenn der Kunde wirklich das Gefühl hat, der Verkäufer bemüht sich und versteht ihn, kann der Verkäufer meiner Auffassung nach das Produkt womöglich anpassen oder der Kunde kauft, wie du eben sagtest, eben das nächste Mal und nicht direkt.

AE: Es ist natürlich etwas anderes als in der Therapie. In der Therapie ist der Berater zunächst einmal offen und es geht nur um das, was der Klient mitbringt. Hier hat der Verkäufer ein Interesse, er will etwas verkaufen.

"Ich möchte natürlich mein Produkt verkaufen. Also kann ich es auch präsentieren. Ich sollte gleichzeitig dafür offen sein, auf mein Gegenüber zu hören."

JF: Was er auch nicht verschweigen muss. Es ist ja offensichtlich. Der Kunde weiß es. Und als Verkäufer kann ich sozusagen authentisch bleiben und sagen: „Ja, Sie können dieses Produkt von mir erhalten.“

BW: Genau, da geht es wieder um meine Bedürfnisse als Verkäufer. Ich möchte natürlich mein Produkt verkaufen. Also kann ich es auch präsentieren. Ich sollte dafür offen sein, auf mein Gegenüber zu hören und auch zu sehen, ist es jetzt wirklich das richtige Produkt für meinen Kunden oder muss ich ihm irgendetwas anderes empfehlen.

AE: Ich finde, es muss dann schon ein Interesse an dem Wohlergehen des Kunden da sein. Dazu würde dann für meinen Geschmack dazu gehören, dass ich die Offenheit mitbringen muss, dass er eben mein Produkt letztendes auch nicht kauft, dass er sich dagegen entscheidet.

JF: Es gibt ja auch viele Verkäufer, die sagen „Ich verkaufe nur ein Produkt, von dem ich überzeugt bin.“ Wenn ich überzeugt von meinem Produkt bin, kann ich dann auch sagen, ich tue meinem Kunden etwas Gutes damit.

BW: Es hat ja auch eine Wechselwirkung. In dem Moment in dem ich wohlwollend mit meinem Kunden umgehe, indem ich die besagte Haltung lebe, dann wird er meiner Auffassung nach offener dafür sein, was ich ihm anzubieten habe.

JF: Zum Thema Verkauf: Ich erinnere an einen Fall bei der Deutschen Bahn. Ich hatte auf Grund einer Verspätung den Anschluss des Regionalzuges verpasst. Der IC, den ich dann nehmen wollte, fiel jedoch auch aus. Ich war dann stinksauer und wollte das IC-Ticket, das ich extra fünf Minuten vorher am Schalter gekauft hatte, zurückgeben. Ich ging zum Schalter zurück. Ich hatte noch gar nicht fertig erzählt warum, wieso, weshalb, da hat die Schaltermitarbeiterin das Geld schon zurückgegeben. Ich habe zwar objektiv alles bekommen, was ich wollte, aber ich war trotzdem nicht zufrieden, weil ich mich nicht verstanden gefühlt habe. Die Dame wollte wohl die Situation schnell beenden. Ich denke, im Bereich der Reklamation reicht es nicht, wenn ich jemandem ganz objektiv das gebe, was er haben will.

AE: Vom Gefühl her war es sogar für dich so gewesen, dass du dich abserviert gefühlt hast, nach dem Motto „Stellen Sie sich nicht so an!“

BW: Du wolltest dich als Kunde gerne abgeholt fühlen, da wo du im Moment stehst. Und zwar mit dem ganzen Ärger.

JF: Ich könnte mir in einer solchen Situation vorstellen, dass mir der Servicemitarbeiter sagt: „Jetzt ärgern Sie sich.“ Dann könnte ich sagen „Ja, ich habe einen Termin. Da muss ich jetzt anrufen.“

BW: „Das hat Sie jetzt in Schwierigkeiten gebracht. Das hat jetzt Folgen für Sie.“

JF: Das würde am Schalter auch nicht länger dauern.

BW: Es wäre für dich ein Gefühl der Wertschätzung. Das macht es für mich deutlich, wie wichtig es ist, über Gefühle zu sprechen. Ich höre dann nicht selten so etwas wie „Jetzt sollen wir hier über Gefühle sprechen. Hier geht es um eine rein sachliche Handlung.“ Da sind wir wieder an dem Punkt, dass der Mensch wahrgenommen werden möchte, mit seiner ganzen Wahrheit. Im Wort „Wahrnehmung“ sehe ich auch das Wort „Wahrheit“.

AE: Für mich würde es bei einem Beschwerdemanagement dazu gehören, dass der Kunde sich eben nicht abgebügelt fühlt. Auch wenn er materiell das bekommt, was er wollte, fühlt er sich vielleicht nicht wahrgenommen. Der Kunde soll schließlich wiederkommen. Das tut er meiner Auffassung nach nur, wenn er sich mit seinen Bedürfnissen und mit seinen Gefühlen angenommen weiß.

Auf die Informationen des Kunden angewiesen

JF: Wir sind hier alle Berater. Ihr müsst euch ja in eigener Sache um Aufträge bemühen. Ihr habt auch selbst Kunden. Ich versuche, gerade bei komplexen Produkten und Dienstleistungen, auf meinen Kunden einzugehen und herauszufinden, was er denn eigentlich will. Was genau könnte ich denn anbieten? Ich bin geradezu darauf angewiesen, dass ich etwas von meinem Kunden erfahre, dass ich dann auch entsprechend reagieren kann.

BW: Speziell bei uns ist es oft so, dass wir heraushören müssen, welcher Auftrag an uns gestellt wird.

"Speziell bei uns Beraterm ist es oft so, dass wir heraushören müssen, welcher Auftrag an uns gestellt wird."

JF: Ich finde am Anfang sollte eine Auftragsklärung stehen, allein damit der Kunde für sich herausfinden kann, ob es in seinen Augen etwas gebracht hat oder nicht. Wie handhabt ihr das mit der Auftragsklärung?

AE: Die Auftragsklärung ist deswegen wichtig, weil man sonst überhaupt keinen Anhaltspunkt hat, ob der Auftrag erfüllt ist. Es soll ja kein Sanktnimmerleinsprojekt sein. Irgendwann muss man auch überprüfen können, wo man jetzt steht. Wie gesagt, ist das Ziel erreicht? Ist der Auftrag erfüllt? Bei Klienten kann man das im Prinzip abfragen. Ich kann zuerst im Gespräch fragen, um was es geht, um was für ein Problem. Was ist der Auftrag des Klienten an den Berater? Was wünscht er sich von dem? Was braucht er?

BW: Und trotzdem kann hinter dem eigentlichen Auftrag noch mehr stecken. Das kann sich dann im Prozess entwickeln. Möglicherweise stellen wir überrascht fest, hinter dem ursprünglichen Auftrag steckt noch ein ganz anderer Auftrag. Ich habe erlebt, dass selbst dem Auftraggeber nicht unbedingt gleich klar ist, was sein Auftrag ist, sondern manchmal muss man erst in den Prozess gehen, um zu sehen, was sich daraus genau entwickelt.

JF: Das wäre, wenn innerhalb einer Beratung dann Dinge zu Tage treten, die nichts mit der ursprünglichen Aufgabenstellung zu tun haben.

AE: Ich erlebe es oft so, dass sich der Auftrag während eines Prozesses verändern kann. Ich halte es nur für wichtig, dass man das auch benennt und man immer wieder überprüft, ob eine Kurskorrektur nötig ist. Womöglich ist man sonst auf einem ganz falschen Dampfer. Es könnte zum Beispiel sein, jemand kommt in die Supervision und hat zunächst das vordergründige Thema, dass er klären will, wie er sich besser gegen die ungerechtfertigen Ansprüche von seinem Chef verwahren kann. Ich nehme das als Supervisor oder als Berater als Auftrag erste einmal an und während wir daran arbeiten, merken wir, dass er ein viel tiefer liegendes Problem insgesamt mit Autoritäten hat, was vielleicht wiederum mit seinem Vater zusammen hängt. Dann ist das eigentliche Thema plötzlich ein anderes: z.B. Wie kann ich in meinem Leben besser damit klar kommen, dass ich immer wieder auf Menschen stoßen werde, die mir gegenüber Autorität ausüben.

Wie kann ein Unternehmen den Erfolg der personzentrierten Beratungsleistung messen?

JF: Wie kann ich die Beratungsleistung messen? Am Anfang hatten wir gesagt, dass mir dabei die Auftragsklärung hilft. Ich habe die Erfahrung gemacht, den meisten Unternehmen wäre es am liebsten zu wissen, wie viel mehr Umsatz oder Gewinn kann ich damit machen?

BW: Ich bin da wieder beim Thema Zufriedenheit. In dem Moment, in dem die Mitarbeiter zufrieden sind, werde ich natürlich auch den Gewinn meines Unternehmens steigern.

AE: Das rein an den finanziellen Größen zu messen, finde ich schwierig. Die Wirksamkeit einer Teamentwicklung lässt sich mit Fragebögen erfassen. Was hat sich wie, über welchen Zeitraum bei jedem einzelnen verändert? Es kann dann im Team miteinander besprochen werden, wie man das insgesamt bewertet. Das kann anhand von konkreten verschiedenen Fragestellungen erfolgen, von der persönlichen Befindlichkeit bis hin zu Veränderungen in der Arbeitsleistung. Das kann meiner Auffassung nach allerdings keine ganz objektive Messung sein, weil subjektive Wahrnehmungen der einzelnen Team-Mitglieder eine Rolle spielen, wie sie das jeweils für sich erleben. Ob man das dann am Output der Firma messen kann? Man müsste dafür wohl ein Experiment durchführen. Eine Gruppe arbeitet wie gehabt weiter und bei der anderen Gruppe sehen wir, wie sie mit personzentrierten Grundhaltungen miteinander arbeiten. Dann könnte man beobachten, ob es Unterschiede gibt. Das wäre vielleicht einmal ein interessantes Projekt.

JF: Personzentrierte Gesprächsführung und die dazugehörige Haltung, wie kann ich das in meinem Unternehmen einsetzen und was bringt mir das dann am Ende? Haben sich hinterher alle lieb. Ist das dann das Ergebnis? Oder habe ich dann als Firma wirklich etwas davon? Einmal böse formuliert.

BW: Ich verstehe es dann so, dass der Auftraggeber eine Erfolgsgarantie haben möchte.

JF: Ich befürchte, das ist nicht selten der Fall. Ich gebe Geld aus und möchte auch etwas dafür haben. Natürlich gehe ich davon aus, dass sich das auch bei anderen Maßnahmen, wenn ich z. B. Werbung schalte, nicht immer direkt in einem erhöhten Gewinn widerspiegelt.

BW: Im Gespräch mit dem Auftraggeber finde ich heraus, was der Auftrag ist. Dann kann ich natürlich mit ihm zusammen herausfinden, welches Ziel wir verfolgen. Worauf soll es hinauslaufen? Bei meiner Arbeit geht es um Kommunikation. Ich biete also an: „Ich verbessere die Kommunikation in Ihrem Unternehmen.“ Und trotzdem möchte ich keine Erfolgsgarantie geben. Ich arbeite schließlich mit Menschen. Das sind keine Roboter, bei denen ich ein bestimmtes Programm einschieben kann, um Aufgaben bis zu einem bestimmt Zeitpunkt zu erfüllen. Ich finde der Auftraggeber sollte dafür offen sein, dass die Menschen nicht sein Ziel verfolgen. Aber das sehe ich auch wieder als einen Erfolg, weil ich dann feststellen kann, wie ich jetzt damit umgehe, dass sie nicht meinem „Programm“ folgen.

JF: Ich finde es selbst etwas gemein, wie ich meine Frage gestellt habe. Ich glaube, es ist selten so, dass ich an einzelnen Mitarbeitern den erhöhten Output des Gesamtunternehmens messen kann.

AE: Es kann ja sein, dass es sich an ganz anderen Stellen bemerkbar macht, z. B. an weniger Krankentagen.

JF: Ich könnte Indikatoren finden, wie weniger Krankentage. Oder am Anfang mit der Auftragsvergabe eine entsprechende Auftragsklärung vornehmen. Dabei könnte eine Befragung zum Einsatz kommen, um vorher und nachher zu vergleichen.

BW: Ich denke, es ist auch oft erst im Prozess erkennbar, was für ein neues Ziel wir uns evtl. setzen müssen. Ich kann nicht schon am Anfang, wenn der Auftrag vergeben wird, sagen, genau dieses Ziel werden wir erreichen. Ich glaube, der Weg ist das Ziel.

AE: Das Gegenteil davon ist ja: Nachdem wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir die Anstrengungen. Ich würde es so formulieren: Der Weg ist auch das Ziel. Es ist nicht nur das Ziel, was erreicht wird und wenn das erreicht wird, ist es gut, sondern das was auf dem Weg alles passiert, weiß ich vorher gar nicht. Das können ganz viele wertvolle Dinge sein. Und dann kann ja auch sein, wie wir vorher sagten, der Auftrag ändert sich oder eben die ursprüngliche Zielvereinbarung, weil wir merken, der Weg verläuft eigentlich woanders.

BW: Da sind wir wieder am Ausgangspunkt. Was ist personzentrierte Gesprächsführung? Personzentrierte Gesprächsführung bedeutet für mich wirklich sein, auch offen für den Weg zu sein. Der Weg steht vielleicht symbolisch für die Menschen.

AE: Und für den Prozess, den man mit ihnen dann durchlebt.

Ein Ansatz der verändert

JF: Um zum Schluss zu kommen: Wie seid ihr zum Thema personzentrierte Gesprächsführung gekommen? Ihr schmunzelt.

BW: Das war auch ein langer Weg.

AE: Stimmt.

BW: Bei mir war es so, dass ich mich im Studium sehr viel mit Psychoanalyse beschäftigte, dann aber entdeckte, dass Psychoanalyse nicht unbedingt in mein favorisiertes Arbeitsfeld passte. So stieß ich auf Rogers und besuchte nach meinem Studium erst einmal Seminare. Das war für mich ein Prozess zu sehen, dass mir diese „Methode“ von Carl Rogers liegt und sie mir gut tat. Deswegen habe ich auch vier Jahre lang eine Ausbildung in personzentrierter Beratung über die GWG gemacht. Das ist die Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie. Ich habe gemerkt, dass dies die Basis meiner ganzen Arbeit werden wird.

"Ich habe gemerkt, dass die Personzentrierte Gesprächsführung die Basis meiner ganzen Arbeit werden wird."

AE: Ich kam zur personzentrierten Gesprächsführung ein bißchen dazu wie die Jungfrau zum Kinde. Ich arbeitete schon einige Jahre als Sozialpädagoge, als Jugendbildungsreferent. Ich interessierte mich damals nicht besonders für Beratungsarbeit, sondern mehr für Öffentlichkeitsarbeit. Irgendwann hatte ich auf einmal das Gefühl, es wird Zeit irgendeine Fortbildung zu machen, also schon fast egal was. Ich sah mich dann um, was angeboten wurde. Die Ausbildung bei der GWG sprach mich an. Ich dachte zunächst, zwei Jahre sind ein überschaubarer Zeitraum. Ich war praktisch vom ersten Tag an fasziniert und begeistert. Das hat mich so erfüllt, dass sich dadurch auch mein beruflicher Werdegang verändert hat. Insgesamt waren es schließlich vier Jahre Ausbildung. Ich bin dadurch vertieft in die Beratungsarbeit eingestiegen, auch in die Kursarbeit mit derartigen Themen.

JF: Birgit, du bist Diplom-Pädagoin. Und du Andreas bist, soweit ich weiß, Diplom-Sozialpädagoge. Wo sind eure Arbeitsschwerpunkte?

BW: Ich arbeite mit zwei Kolleginnen in meiner Praxis für Psychotherapie, Beratung und Supervision. Ich bin zuständig für den Bereich Beratung. Ich biete Einzelberatung und Paarberatung an, eher seltener Familienberatung. Ich biete in der Praxis Einzelsupervision an. Ich gehe auch in Institutionen und biete dort Supervision für Teams an, aber auch Einzelcoachings. Außerdem gebe ich Fortbildungen: auf der einen Seite natürlich Gesprächsführung, aber auf der anderen Seite auch im Entspannungsbereich. Ich meditiere selbst und vermittle das auch.

JF: Das wirkt auf mich, wie ein ganzheitlicher Ansatz.

BW: Ich habe das Gefühl, dass ich es geschafft habe, das abzurunden.

AE: Ich arbeite hier im Haus der Begegnung in Frankfurt. Ich bin mit einer vollen Stelle angestellt. Ich biete in diesem Rahmen Kurse im Bereich Kommunikation und Beratungsarbeit an. Man kann hier relativ kurzfristig einen Termin bekommen. Manche Klienten kommen, bevor sie lange auf einer Warteliste ausharren müssen, hierher und machen meistens erst einmal ein Orientierungsgespräch aus. In der Regel wird es dann ein etwas längerer Beratungsprozess. Es kann in dieser klassischen Beratungsarbeit um die unterschiedlichsten Themen und Anliegen gehen. Mit Paaren arbeite ich auch, aber etwas weniger. Ansonsten bin ich für Supervisionen oder Team-Supervisionen anfragbar sowie für Kurse, die auch außer Haus angeboten werden können.

BW: Die letzten zwei Jahre der Ausbildung haben wir zusammen gemacht. Seitdem arbeiten wir gut zusammen. Ich gebe auch Kurse für das Haus der Begegnung. Wir sind auch zusammen in der kollegialen Supervision.

JF: Ich danke für das Gespräch.

AE: Ich danke auch. Ich finde es gut, dass wir personzentrierte Gesprächsführung sozusagen für Otto-Normal-Verbraucher hiermit nahe bringen. Mit dem personzentrierten Ansatz von Carl Rogers können meist nur Profis etwas anfangen, im Gegensatz zur Psychoanalyse. Sigmund Freud kennt jeder. Aber was die personzentrierte Haltung oder Gesprächsführung ist, finde ich, könnte noch viel mehr auch in der Nichtfachwelt publik gemacht werden. Da passiert auch an den Fachhochschulen und Hochschulen noch wenig, habe ich den Eindruck.

BW: Genau.

JF: Da sind wir uns offenbar einig.